sprengelei 1907

Die Sprengelei

Aus Anlass der 200 Jahrfeier des Gebäudes der Sprengelei
schrieb Fritz Pape am 15.10.1971 in der Alfelder Zeitung

Bei einem Rückblick auf das im Gerzer Schlag liegende Wirtshaus „Sprengelei“ fällt auf, dass bei Ihm in diesem Jahre 3 Jubiläen nahezu zusammenfallen. Vor 200 Jahren wurde dieses Haus als Wegegeldhebestelle an der Göttinger Chaussee gebaut, seit hundert Jahren ist es Wirtshaus und seit über 50 Jahren im Besitz der Familie Conrades. Um es vorwegzunehmen: Stammtischbrüder gaben nach dem Namen der ersten Wirtin, Frau Sprengel, diesem Gasthaus den Namen. Das Haus wurde 1771 als Wegegeldhebestelle an der stärker in Aufschwung kommenden Hannoversch-Casseler Chaussee erbaut. Die in Stein gehauene Jahreszahl 1771 findet sich noch heute in dem Gemäuer. In einer Gesetzessammlung des Königreichs Hannover vom Jahre 1828 ist im Amte Winzenburg als „Gränz-Hauptzollstelle“ der Kreiszoll-Casse Hildesheim das Weghaus zwischen den Neuen Kruge vor Alfeld und Doershelf genannt. 100 Jahre hatte dieses Haus als reines Zollhaus gedient. Welche Bürger mögen hier in diesen Jahren ihren Dienst versehen haben? Ein Teil des vorgezogenen Bauwerks gab den Zöllnern wahrscheinlich die Möglichkeit, den Verkehr in beiden Richtungen zu überblicken. Auch ist das Zollschild, das als Gebotsschild früher aufgestellt oder aufgehängt worden war, im Besitz von Herrn Conrades erhalten geblieben.

Ernst August Rex
Das Hoheitzeichen der alten Zollstation

Dem Haus gegenüber, unmittelbar an der Straße, fand sich ein Stein mit der Aufschrift „Amt Lauenstein 375 K 8 E“ (Die Ziffern sind allerdings schon etwas unleserlich). Er hatte bestimmt dort seinen Platz, wo ein früherer Schlagbaum sich neigte. Im Zuge des Ausbaus der Bundesstraße nach dem Kriege hat dieser Stein einen anderen Platz bekommen.

Stein an Sprengelei
Grenzstein des Amtes Lauenstein an der Sprengelei

Die Einrichtung der früheren Wegegelder reicht im allgemeinen nicht so weit zurück wie der Zoll. Die Berechtigung auf Einforderung von Wegegeldern wurde vom Landesherren ausgesprochen, und zwar dann, wenn eine Gemeinde über das normale Maß hinaus mit Wegebaukosten belastet war. Freilich hatten die Wegegelder eine andere Bedeutung als die viel älteren Straßen- und Grenzzölle. Letztlich dienten sie aber m.E. alle dazu, die Straßenbaukosten mitzufinanzieren. Nach dem „Gesetz über die Wegegeldererhebung, den Gebrauch der Chausseen und die Wegepolizei vom 4.12.1834“ musste an jeder vollen Hebestelle zum Beispiel für ein beladenes Fracht- und Landfuhrwerk bezahlt werden: für vierrädrige Karren unter 6 Zoll Felgenbreite einspännig 1 Ggr., zweispännig 1 Ggr. 3 Pfg., dreispännig 1 Ggr. 4 Pfg und vierspännig 1 Ggr. 6 Pfg. Pro Zugtier. Bei schweren Gespannen von 8 bis 10 Zoll Felgenbreite waren nur noch pro Zugtier 6 Pfg. zu entrichten.

Im Jahre 1871 erpachtete die Witwe des Wegegelderhebers Sprengel, Marie geb. Mußmann, auf hiesigem Untersteueramt das Weghaus im Gerzer Schlage auf Meistgebot zu 300 Taler pro Jahr. Da ihr diese Pacht verhältnismäßig hoch erschien, war es ihr Wunsch, durch den Betrieb einer Schankwirtschaft sich einen Nebenverdienst zu verschaffen. Noch im gleichen Jahr richtete Witwe Sprengel ein diesbezügliches Schreiben an das königliche Amt. Es wurde umgehend ihrer Bitte entsprochen und man erwiderte ihr: „Der Witwe des weiland Wegegelderhebers Sprengel, Marie geb. Mußmann, im Chausseehause im Gerzer Schlage an der Hannover- Casseler Chaussee wird auf ihr Ersuchen hiermit die Erlaubniß zum Betriebe der Schankwirthschaft in der von ihr erpachteten Wegegeldhebestelle ertheilt“.
1884 ging die Wirtschaft dann auf den Sohn Heinrich Sprengel über. Das königliche Amt sowie der königliche Steuerhauptmann Herr Rose, Hochwohlgeboren zu Hildesheim, gaben dem Haussohne die Genehmigung, die bisher von seiner Mutter betriebene Schankwirtschaft weiterzuführen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des damaligen Gerzer Gemeindevorstehers auf die Frage, ob ein Bedürfnis für die Wirtschaft vorliegt. Er äußerte sich wie folgt: „Auf Wunsch der Gemeinde Theile ich dem Amte Alfeld mit, dass die Sprengelsche Wirthschaft beibehalten werde, weil es immer ein Bedürfnis für unsere Gemeinde ist, wenn Gerzen mit Militär belegt wird, so haben wir immer ein Quartier für Offiziere, weil die Wohnzimmer in Gerzen nicht in dem Zustande sind, wie sie von den Offizieren beansprucht werden“.

sprengelei 1907
Die Sprengelei um 1907

Von dem Sprengelschen Sohn ist die Wirtschaft später auf den dritten Mann der Frau Sprengel, Meyer, übergegangen. Dieser verkaufte die Sprengelei 1919 an den Landwirt A. Strohmeyer aus Naensen und 1920 ging sie dann in den Besitz der Familie Conrades über. Dem Gasthaus angegliedert war gegenüber ein schöner Kaffeegarten, wo heute der Parkplatz ist. In diesem stand ein Häuschen, von dem aus in Spitzenzeiten die Gäste bedient werden konnten. Gern erinnert man sich der früheren musikalischen Unterhaltung durch die Familie Conrades, wenn jemand auf dem Klavier einen Operettenquerschitt den Gästen darbot. Die Gaststube bietet heute nachgründlicher Renovierung eine behagliche Atmosphäre. Wir wünschen Herrn Conrades, von dem die „Alfelder Zeitung“ schon manche wertvolle Anregung erhalten hat, für seinen Lebensabend alles gute!

Maenner auf Sofa
In der Gaststube: Heinrich Conrades, Willi Kühne und Helmut Klein

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